Schlagwort-Archive: Bücher

DER HEUTIGE TAG – HELGA SCHUBERT(ÜBER IHR LEBEN, DIE LIEBE…UND IHRE VARIATIONEN)

DER HEUTIGE TAG – EIN STUNDENBUCH DER LIEBE
VON HELGA SCHUBERT.

ÜBER DIESE 83-JÄHRIGE SCHRIFTSTELLERIN, DIE UNTER PSEUDONYM SCHREIBT, IST VIEL ZU WENIG GESAGT UND GESCHRIEBEN WORDEN. SIE HAT SICH ZUDEM AUCH ETWA 20 JAHRE AUS DEM „LITERATURBETRIEB“ ZURÜCKGEZOGEN, BIS SIE VOR 2 JAHREN DEN BACHMANNPREIS GEWANN. ES GIBT FÜR MICH SEHR WENIG LEBENDE DEUTSCHSPRACHIGE AUTOREN, DIE MASSGEBLICH SIND, UND HELGA SCHUBERT IST AUFGRUND IHRES RUHIG UND SACHLICH GEHALTENEN SPRACHSTILS EINE DER GANZ GROSSEN.
DIES VORAUSGESCHICKT: IN DIESER AUTOBIOGRAFIE GEHT ES UM LIEBE.
NICHT DIE 1. LIEBE, ES GEHT UM DIE 2. LIEBE NACH DER 1. EHE, DIE ABER LANGE HÄLT;
ES GEHT UM DERDEN (WIE ER IM BUCH GENANNT WIRD), „DER, DEN ICH LIEBE“. 
WIE ENTSTEHT LIEBE? WIE VERÄNDERT SIE SICH? WIE GEHT DIE ZU ENDE? WIE VERABSCHIEDET MAN SICH? WIE GEHT MAN MIT KRANKHEITEN UM? WER PFLEGT WEN? WER BRAUCHT WEN, UND WIE SCHNELL KANN SICH EIN LEBEN ÄNDERN?
ES GEHT UM KUNST, UM DAS SCHREIBEN, DEN ALLTAG UND BEISPIELE AUS DER NATUR ALS SINNBILDER FÜR WANDEL, DEN MAN AKZEPTIEREN MUSS, UND NICHT VERÄNDERN KANN. BEISPIELSWEISE DAS WIDERSPENSTIGE WACHSTUM VON BIRKEN (DIE ALS SYMBOL FÜR LIEBE GELTEN) ODER MONDPHASEN.

RÜHREND. PRÄZISE. UNSCHLEIMIG. KLUG, WIE DIE AUTORIN. WIE GERNE WÜRDE ICH DIESE FRAU EINMAL TREFFEN, BEI DER ES DARUM GEHT, ALLES „MIT LIEBE [ZU] SAGEN“. 
DERZEIT BLEIBEN MIR NOCH 2 IHRER BÜCHER, DIE ICH NOCH NICHT GELESEN HABE UND MIR ALS BESONDERE SCHÄTZE, GAR ALS „TROSTPFLASTER“ FÜR BESONDERE MOMENTE HÜTE.

My Reading List for Christmas 2022

Just finished, current reads and what’s next:

My Reading List for Christmas 2022

Hello Language Lovers,

Professionally, I was a bit absent, but I assure you that in between all the aperitifs and weekends, I worked like a busy bee on a diverse range of projects, covering everything from fashion to legal to tourism in Switzerland, and now also audiovisual lifestyle projects.

Basically, I didn’t have a minute of spare time and craved sleeping constantly.

Of course, I never stopped reading because it is my habit and possibly my most pleasurable drug, or my elixir for survival on this planet with now 8 billion people (and I only like a bunch of them).

I just finished the 600-something page book „Anéantir“ from one of my top European authors and intellectuals, Michel Houellebecq.

unnamed (12)

If you haven’t read „A Houellebecq“ yet, I urge you to do so, but don’t start with his last book, Anéantir. On one side, it’s typical, but on the other, it’s too soft for what we are used to reading. Also, maybe it’s his most politically correct book, for so many reasons:

  • Does he make peace with Christendom?
  • Does he have cancer (because he smoked himself to death) and is he prepared to die?
  • What’s all about this suicide theme? That is quite new.
  • And how come he has regular sex with his regular partner (and seems to also like it)?

Of course, elderly women are discarded from his worldview. Every man has a second woman who is younger and more dedicated to him. This is quite boring, but is this what men really want and dream about? We should face that.

Then there’s politics, which is also tedious and only interesting from an observation standpoint. Maybe he just wants to put a mirror in front of us.

And there is death, death everywhere: sick people, normal people preparing to die, and the thought of suicide as a way out of problems.

If I didn’t love and admire him like a groupie, I’d say I’m glad he wrote a different (but similar) book, that his style and lexical choices – especially the adjectives – demonstrate such a sublime command of the French language in a way that touched me in this book as well.

He is a one-of-a-kind writer and avant-gardist, one of the last living intellectuals in Europe, but is he preparing to die? If yes, I would really like to meet him. If you’re reading this, Houellebecq, let’s get drunk together!

I have compiled a list of books that will keep me well occupied until Christmas and maybe into 2023. Feel free to get inspired.

Have a good time until we next speak in 2023!

unnamed (14)unnamed (2)

unnamed (3)unnamed (4)

unnamed (5)unnamed (6)unnamed (7)unnamed

„Vom Aufstehen“ (in der unendlichen, eisigen Welt) – Helga Schubert

Das beste deutschsprachige Buch, das ich seit vielen Jahren gelesen habe.

Es gibt sehr viele Autoren, die sich mit der deutsch-deutschen Geschichte beschäftigen und dementsprechend eine Flut an einschlägigen Büchern – aber es gibt keinen Schriftsteller, der es bisher geschafft hat, eine Geschichte zu erzählen, sodass die Geschichte eines zweigeteilten Landes zu einer Art Bühnenbild wird. Dieser Aufbau ist genial.

Helga Schubert erzählt ihre Lebensgeschichte, und sie hat viel zu sagen. Ihre Formulierungen sind verständlich, schlicht, klassisch-edel. Die Sprache dient als Transportmittel von Inhalt (Form follows Function), als wirkendes Konstrukt.

Ich konnte das Buch nicht weglegen. Ein wahrer Schatz der deutschsprachigen Literatur, und genau deshalb wurde es 2021 mit dem Bachmann-Preis gewürdigt.

Ein Buch einer 80-jährigen Frau, in Einzelepisoden erzählt. Eine persönliche aber gleichzeitig deutsch-deutsche Geschichte. Die Geschichte einer außergewöhnlichen Frau, Psychologin, Widerstandskämpferin und begnadeten Erzählkünstlerin.

Vor 40 Jahren war Helga Schubert bereits für den Bachmann-Preis nominiert, aber sie „durfte“ damals nicht aus der DDR ausreisen. Sie war für viele weitere Preise nominiert, durfte/konnte sie aber als DDR-Schriftstellerin nicht annehmen. Sie schrieb weiter, und ich freue mich bereits auf das im September herauskommende neue Buch („Lauter Leben“) von ihr, denn am liebsten möchte ich nicht aufhören, Helga Schubert zu lesen.

Warum ist “Vom Aufstehen” ein MUST-READ?

  • Weil es einen hoch komplexen politisch-geschichtlichen Kontext auf schlichte Weise darlegt, en passant, weil es eine andere Geschichte in den Vordergrund stellt: Die Geschichte darüber, eine lieblose, kalte Mutter zu haben, die einen ein Leben lang spüren lässt, dass man ihrer Gnade wegen lebt.
  • Es ist die Geschichte vom Überleben, vom Aufstehen, Tag um Tag „in der unendlichen, eisigen Welt“, es geht um Ehe, Scheidung, erneute Ehe, Menschen und Geschehnisse, in einer Welt, in der man „die Tochter seiner Mutter“ ist – mal mit mehr mal mit weniger Kummer.
  • Es geht darum, 80 Jahre geduldig zu warten, bis man all dies aufschreiben kann.
  • Es geht um Diktaturen und darum, in und mit ihnen zu überleben.
  • Es geht darum, sein Schicksal anzunehmen, manchmal mit Mut, manchmal mit fatalistischer Haltung. Es geht aber auch darum, immer wieder, aufstehend, Widerstand zu leisten, im Kontext eines Regimes, in dem Helga Schubert von der Stasi überwacht wurde. Ihr wurde viel genommen. Uns beschenkt sie, heute dafür mit deutscher Literatur vom Allerfeinsten.
  • Es geht darum, sich so zu sehen, wie man ist, nicht wie man gerne sein möchte. Und es geht um Hoffnung und Trost, denn es ist immer jemand da, von dem man verstanden wird und Liebe erfährt. Helga Schubert spricht von der Gewissheit, dass es stets eine Lösung gibt, egal unter welchen Umständen man aufwächst. Und sie tut das ohne besserwisserisch zu sein, mit der Weisheit einer alten Frau.

„Alles gut“, so ihr letzter Satz.